Offener Brief der internationalen Freiwilligendienstorganisationen an die Europäische Kommission

30.09.2025

Sehr geehrte Damen und Herren,
die Bewegung der Internationalen Freiwilligendienste mit ihren Mitgliedsnetzwerken und -organisationen begrüßt die Möglichkeit, sich an der öffentlichen Konsultation zum Vorschlag für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) der Europäischen Union zu beteiligen. Als Organisationen, die direkt mit und für junge Menschen und internationale Solidarität arbeiten, fordern wir die Europäische Kommission nachdrücklich auf, bei der Fertigstellung des MFR die folgenden Prioritäten zu berücksichtigen, insbesondere in Bezug auf Erasmus+, das Europäische Solidaritätskorps und damit verbundene Jugend- und Zivilgesellschaftsprogramme.

Wir schlagen folgende Empfehlungen vor:

1. Erhebliche Aufstockung der Mittel für Erasmus+

Durch die Förderung der aktiven Bürgerschaft und des interkulturellen Verständnisses für Hunderttausende junger Menschen jedes Jahr ist Erasmus+ ein Schlüsselprogramm zur Stärkung der Demokratie und der gesellschaftlichen Widerstandsfähigkeit in Europa. Um seine Reichweite auf ein deutlich breiteres Spektrum junger Menschen auszuweiten und den Zugang für marginalisierte und von Ausgrenzung bedrohte Jugendliche innerhalb und außerhalb Europas systematisch sicherzustellen, muss das Budget für Erasmus+ mindestens verfünffacht werden. Dies muss eine gerechte finanzielle Unterstützung für Jugendinitiativen und kleinere lokal verankerte Organisationen einschließen. Das derzeitige Budget, das die Europäische Kommission für Erasmus+ vorschlägt, ist unter Berücksichtigung der Inflation und der Zusammenlegung von Erasmus+ mit dem Europäischen Solidaritätskorps nicht ausreichend.

2. Sicherung des Jugendkapitels durch zweckgebundene Mittel

Jugendorganisationen sind wichtige Multiplikatoren, die verschiedene Gemeinschaften erreichen, Inklusion fördern und das langfristige Engagement junger Menschen sicherstellen. Sie sollten in der nächsten Programmrichtlinien ausdrücklich anerkannt, verstärkt und nachhaltig unterstützt werden, um ihre Kapazitäten und ihre Wirkung zu stärken. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, einen eigenen Abschnitt für Jugend in der Erasmus+-Programmverordnung beizubehalten, für den mindestens 15 % des Gesamtbudgets vorgesehen sind, um die ausdrückliche Anerkennung von Jugendorganisationen und die Verpflichtung zu einer nachhaltigen Unterstützung ihrer Arbeit sicherzustellen. Dieses Kapitel ist von entscheidender Bedeutung, um den Zugang zu Programmen zu gewährleisten, die wirklich von Jugendlichen geleitet, inklusiv und in Solidarität verwurzelt sind.

3. Neuausrichtung der Ziele von Erasmus+ auf Solidarität und aktive Bürgerschaft

Europa sieht sich ernsthaften Bedrohungen für seine demokratischen Systeme gegenüber. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, jungen Menschen die Instrumente an die Hand zu geben, die sie benötigen, um ein demokratischeres, inklusiveres und prosperierenderes Europa zu gestalten. Um zusammengehörige und widerstandsfähige Gesellschaften zu gewährleisten – eine wesentliche Grundlage für die langfristige Sicherheit Europas –, ist es unerlässlich, die Kernziele des Erasmus+-Programms neu zu formulieren, um aktives bürgerschaftliches Engagement, globale Solidarität, interkulturelles Verständnis, generationsübergreifendes Lernen und lebenslanges Lernen besser widerzuspiegeln und über die enge Fokussierung auf Arbeitsmarktergebnisse hinauszugehen, damit das Programm bürgerschaftliches Engagement, demokratische Teilhabe und die Widerstandsfähigkeit von Gemeinschaften umfassend berücksichtigt.

4. Das Europäische Solidaritätskorps (ESK) sichern und stärken

Das ESK ist ein Programm zur Förderung von Freiwilligentätigkeit, gesellschaftlichem Engagement und solidarischem Lernen junger Menschen. Dies sind Kernkomponenten einer demokratischen und widerstandsfähigen Gesellschaft und von zentraler Bedeutung für unsere europäische Identität. Die Europäische Kommission muss daher sicherstellen, dass das ESK im Jugendkapitel von Erasmus+ mit einer eigenen, geschützten Mittelzuweisung bestehen bleibt, damit es seine besondere Mission der Solidarität, Freiwilligentätigkeit und des bürgerschaftlichen Engagements weiterhin erfüllen kann und nicht verwässert oder in professionellere oder beschäftigungsorientierte Programme integriert wird.

5. Die drei Leitaktionen beibehalten und angemessen finanzieren

Die Aufteilung des aktuellen Jugendkapitels in drei Leitaktionen war entscheidend, um Klarheit und Zugang für verschiedene Akteure zu gewährleisten. Besonders besorgniserregend ist das Verschwinden der Leitaktion 3, die die Beteiligung junger Menschen, demokratisches Engagement und die Entwicklung der Jugendpolitik unterstützte. Die Streichung der Leitaktionen birgt die Gefahr, das von ihnen geschaffene vernetzte System und damit auch diejenigen im Jugendbereich, die darauf angewiesen sind, zu untergraben. Die Beibehaltung der bestehenden Struktur auf der Grundlage der drei Leitaktionen und die Sicherstellung, dass jede einzelne von ihnen über ausreichende Mittel verfügt, um ihren jeweiligen Zweck zu erfüllen – Mobilität, Zusammenarbeit und Politikentwicklung –, ist daher für die Kohärenz und Zugänglichkeit des Programms von entscheidender Bedeutung.

6. Schaffung einer vierten Leitaktion für globale Zusammenarbeit

Im Einklang mit ihren Grundsätzen der Freiheit, Teilhabe, Solidarität, Gleichheit und Menschenrechte ist die EU in einer einzigartigen Position, um eine inklusivere und demokratischere Welt zu fördern. Im Kapitel „Jugend“ sollte eine vierte Leitaktion geschaffen werden, die ausschließlich Jugendorganisationen in Drittländern (die nicht mit dem Programm assoziiert sind) zugänglich ist und für die mindestens 5 % der Mittel vorgesehen sind. Diese Maßnahme sollte der multilateralen Jugendzusammenarbeit Vorrang einräumen und es jungen Menschen aus aller Welt (EU und allen Regionen) ermöglichen, an einem Ort zusammenzukommen – über das derzeitige Modell der Formate „EU + 1 Region“ hinaus.
Parallel dazu sollte die EU politische Reformen auf EU-Ebene verabschieden, um Visa-Verfahren zu vereinfachen und den Status von Freiwilligen offiziell anzuerkennen, wodurch Hindernisse für die Teilnahme junger Menschen aus Nicht-Schengen-Ländern beseitigt würden.

7. Zugang zu allen EU-Förderprogrammen sicherstellen

Im Einklang mit Ziel 9 der EU-Jugendstrategie 2019–2027, „die demokratische Beteiligung und Autonomie junger Menschen stärken und eigene Jugendbereiche in allen Teilen der Gesellschaft schaffen“, ist es unerlässlich, sicherzustellen, dass Organisationen, die mit und für junge Menschen und internationale Solidarität arbeiten – insbesondere solche, die basisdemokratisch, von Jugendlichen geleitet oder gemeindebasiert sind – Zugang zu Finanzmitteln aus anderen EU-Programmen über Erasmus+ und ESK hinaus haben (z. B. NDICI, LIFE, Horizon Europe, CERV).

Dies erfordert eine Vereinfachung der Antragsverfahren, eine Dezentralisierung der Entscheidungsfindung und die Gewährleistung, dass kleinere Akteure der Zivilgesellschaft nicht durch übermäßige administrative Anforderungen oder die Dominanz großer zwischengeschalteter Anbieter ausgeschlossen werden.

Die oben genannten Empfehlungen basieren auf jahrzehntelanger Erfahrung von Akteuren der Zivilgesellschaft, die weltweit internationale Freiwilligendienste und von Jugendlichen geleitete Solidaritätsprojekte durchführen. Wir sind der Überzeugung, dass ein gerechter, inklusiver und partizipativer MFR nur erreicht werden kann, wenn er die Realitäten, Kapazitäten und Stimmen von Jugendlichen und Basisorganisationen in den Mittelpunkt stellt. Wir danken Ihnen für die Berücksichtigung dieser Empfehlungen und stehen für weitere Gespräche gerne zur Verfügung.

Giada Martin, Communications and External Affairs Manager Alliance
Victoria Lovelock, CCIVS Director
Dr. Anja Stuckert, ICYE Secretary General
Cristina Debu, International Coordinator SCI“
Weiterführende Informationen und der Brief in der Originalfassung sind hier zu finden: https://ibg-workcamps.org/news-details/758/6717