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Offene Kinder- und Jugendarbeit

WAS…? WIE…? WOZU…?

Das Konzept: FREI UND BEGLEITET

Die Offene Kinder- und Jugendarbeit ist etwas Besonderes: Sie bietet jungen Menschen bis zum 27. Lebensjahr Räume zur selbstbestimmten Freizeitgestaltung. In Jugendhäusern, auf Aktivspielplätzen, Jugendfarmen oder in Spielmobilen finden sie ein vielfältiges und flexibles Programm: Musik und Kunst, Technik und Natur, Handwerk und neue Medien – da ist für jede/n etwas dabei! Alle Angebote sind freiwillig und kostenfrei, so dass sich eine breite Zielgruppe beteiligen kann.

Für viele junge Menschen sind die Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit – neben Schule und Familie – eine zentrale Sozialisationsinstanz. Oder einfacher gesagt: Ihre zweite Heimat. Die pädagogischen Mitarbeiter/innen schaffen den Rahmen, in dem die Kinder und Jugendlichen weitgehend selbstbestimmt aktiv werden können. Als Vertrauens- und Bezugspersonen hören sie genau zu und unterstützen bei alterstypischen Entwicklungsaufgaben und alltäglichen Problemen. Durch ihr Fachwissen und ihre Erfahrung sind sie in der Lage, Schwierigkeiten frühzeitig zu erkennen und anzusprechen. Sie begleiten junge Menschen mit Rat und Tat – und vermitteln ihnen, falls nötig, geeignete Unterstützung.

Grundlagen: OFFEN UND GESTALTBAR

Offenheit ist seit 60 Jahren erfolgreiches Prinzip der Offenen Kinder- und Jugendarbeit – und gleichzeitig ihre größte Herausforderung!

Es ist nicht vorhersehbar, wer kommt. Jede/r ist willkommen.
Es gibt keine Voraussetzungen, keine Teilnahmebedingungen. Herkunft, Religion, politische Orientierung oder Geschlecht spielen keine Rolle. Doch Offenheit bedeutet keineswegs, dass alles akzeptiert wird: Radikale, menschenverachtende Einstellungen oder gewalttätiges Verhalten finden in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit keine Plattform.
Es ist nicht vorhersehbar, was die Jugendlichen mitbringen. Was beschäftigt sie: Wo kann ich mit meinen Freundinnen tanzen? Mein erster Freund, meine erste Freundin? Stress in der Familie? Womit will ich mein Geld verdienen? Offenheit bedeutet, dass die Anliegen der jungen Menschen in den Mittelpunkt rücken. Sie sind der Auftrag.
Es ist nicht vorhersehbar, wie dieser Auftrag erfüllt wird. Die Jugendarbeiter/innen entwickeln geeignete Angebote und formulieren Ziele – dennoch kann der Prozess manchmal ein ganz anderes Ergebnis herbeiführen. So endet ein geplanter Spieleabend schon mal in einer Nachtwanderung oder ein Dart-Turnier in einer Diskussion über die Regeln menschlichen Zusammenlebens. 

Lebenswelten: ERNST NEHMEN UND HINTERFRAGEN

Die jugendliche Sicht auf die Welt ist vielfältig und scheint auf den ersten Blick für Erwachsene oft schwer verständlich. Was kann am neuesten Handy-Modell so wichtig sein? Respektvoll nachgefragt, erfahren wir von ganz existenziellen Bedürfnissen: dem Wunsch nach Anerkennung, der Position in der Clique. So kommt man vom Handy plötzlich zu ganz zentralen Fragen: Wie sehen mich die anderen? Was ist mir wichtig? Wer bin ich?
So ein Gespräch öffnet das Feld für neue Lernerfahrungen und Chancen. Die Mitarbeiter/ innen hören aufmerksam zu und versetzen sich in die Perspektiven der jungen Menschen. Auch wenn sie diese nicht immer zustimmen, respektieren sie die Sichtweisen als Ergebnis von gemachten Erfahrungen der Mädchen und Jungen. Lebensweltorientiertes Arbeiten bedeutet, die jugendliche Weltsicht ernst nehmen und sich kritisch damit auseinander setzen. Horizonte werden erweitert, neue Wege aufgezeigt, Sichtweisen verändert – oder bestätigt. Aus der Wertschätzung, die den Kindern und Ju- gendlichen entgegengebracht wird, entstehen tragfähige, vertrauensvolle Beziehungen, die die jungen Persönlichkeiten in ihrer Entwicklung unterstützen und begleiten.

Alltagsbildung: LEBEN LERNEN

Die Offene Kinder- und Jugendarbeit ist außerschulische Bildung. Was die Schule als selbstverständlich voraussetzt, lernen viele junge Menschen hier: Wie setze ich meine Ideen um? Wie einigen wir uns, wenn sie denen der anderen widersprechen? Wie löse ich Konflikte? Es geht auch um ganz lebenspraktische Fragen: Wie gehe ich mit Geld um? Wie nutze ich das Internet sinnvoll und kreativ? Und um Persönliches: Was kann ich eigentlich besonders gut? Wie verhalte ich mich gegenüber dem anderen Geschlecht?

Diese Bildungsprozesse (Alltagsbildung) helfen den Jungen und Mädchen, sich in der Welt zurechtzufinden, sich selbst zu definieren, kurz: Leben zu lernen. Spielerisch und aus eigenem Antrieb. Sie beschäftigen sich mit dem, was ihnen Spaß macht, was sie direkt betrifft. Ihre Leistungen werden nicht bewertet – das erhöht die Motivation etwas auszuprobieren, sich auf Neues einzulassen, das man sich sonst vielleicht nicht zutrauen würde. Sehr oft entwickelt sich daraus großer Eifer und ein hoher Anspruch an sich selbst. Kein Wunder, dass viele ehemalige Besucher/innen heute sagen: »In dieser Zeit habe ich mehr gelernt als in der Schule. Das hilft mir heute auch im Job, jeden Tag.«

Demokratie: TEIL SEIN UND TEILHABEN

Auf welches Spiel einigt man sich? Wer darf zuerst an den Billardtisch? Wohin geht der nächste Ausflug? Das Erlernen demokratischer Spielregeln ist ein Grundsatz der Offenen Kinder- und Jugendarbeit.
Im Jugendhaus oder auf dem Aktivspielplatz erarbeiten sie sich ihre Regeln selbst. Anarchie? Im Gegenteil: Die jungen Menschen lernen, die eigenen Vorstellungen zu denen der anderen in Bezug zu setzen. Sie sehen wie ihre Ideen plötzlich Wirklichkeit werden, mit allen Folgen, erwartet wie unerwartet. Und begreifen, was Verantwortung heißt. Wer gelernt hat, seine Interessen zu vertreten, seine Ideen umzusetzen, seine Meinung zu sagen - der nutzt und schafft Möglichkeiten, das auch im Stadtteil oder in der Gemeinde zu tun. So wird Demokratie im Kleinen zu Demokratie im Großen.

Freiräume: ERLEBEN UND ERFAHREN

In Zeiten von Ganztagsschulen, verdichtetem Lernstoff und permanentem Leistungsdruck finden junge Menschen immer weniger Gelegenheit zur selbstbestimmten Freizeitgestaltung. Dabei sind es gerade diese Freiräume, die Kreativität und Initiative hervorlocken. Woher sollen Kinder und Jugendliche wissen, was sie wirklich können, wenn ihre Fähigkeiten nur für den schulischen Stundenplan abgerufen werden? Wie sollen sie lernen, was sie glücklich und zufrieden macht? Freiräume geben jungen Menschen die Chance Fähigkeiten zu entwickeln, eigene Stärken und Schwächen zu erkennen, sich selbst zu entdecken und zu spüren. Freiräume führen eigene Entscheidungen herbei: Will ich diese Chance nutzen? Möchte ich etwas Neues ausprobieren? Die Offene Kinder- und Jugendarbeit bietet dafür Möglichkeiten und Plattformen – und bildet gleichzeitig einen geschützten Rahmen, in dem eventuelles Scheitern aufgefangen wird. Denn zum Lernen gehören Fehler dazu – genauso wie Erfolgserlebnisse. So setzen sich Kinder und Jugendliche mit den Folgen ihres Handelns auseinander: Die spontan organisierte Party ist nur halb so lustig, wenn niemand sich als DJ zuständig fühlt. Und: Was für ein Glücksmoment, auf der Jugendhaus-Bühne zu stehen und für den ersten eigenen Song bejubelt zu werden!

Vielfalt: RESPEKTVOLL BEGEGNEN

Vielfalt prägt unser Zusammenleben wie nie zuvor. Heute bedeutet Vielfalt das Zusammenleben von Menschen mit Wurzeln aus allen Teilen der Erde mit großen Unterschieden in Bildung und Kultur. In der Offenen Kinder- und Jugendarbeit findet sich diese Vielfalt wieder. Sie erreicht besonders viele junge Menschen, die als »benachteiligt« bezeichnet werden: Sie haben wenig Erfolg in der Schule, geringe finanzielle Spielräume und oft mangelnde Zukunftsperspektiven. Das betrifft häufig Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund. Diese haben hierzulande nicht die gleichen Chancen wie die anderen. Der gute Zugang zu diesen jungen Menschen hat Gründe: Alle Angebote sind offen und kostenfrei, jede/r hat die Chance, eigene Ideen zu verwirklichen.